Haustex - 4/21

Kamps: „Händler müssen ihre Stärken besser sichtbar machen“

Haustex: Herr Kamps, wie erleben Sie die Stimmung in der Branche beziehungsweise im Handel?

Kamps: Das geht tatsächlich von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt. Es gibt die einen, die sich freuen, das vergangene Jahr mit einem satten Plus abgeschlossen zu haben, vielleicht sogar das beste Ergebnis in ihrer gesamten Selbständigkeit erzielt zu haben. Das sind die, die regional ihre Hausaufgaben gemacht haben, vor Ort verwurzelt und breit vernetzt sind. Aber es gibt auch die Anderen, die existenzielle Sorgen plagen, die auch emotional sehr stark betroffen sind. Ihnen fehlt es an Zukunftsmut.

Haustex: Was genau meinen Sie damit?

Kamps: Der Begriff Zukunftsmut beschreibt einen Perspektivwechsel: Nicht zu beklagen, was gerade nicht geht, sondern zu überlegen, was geht oder gehen könnte. Ich kann nur jedem empfehlen, sich ein weißes Blatt Papier zu nehmen und eine Linie in der Mitte zu ziehen. Links wird dann aufgeschrieben, was man nicht beeinflussen kann, rechts das, was man beeinflussen kann. Wir dürfen uns nicht in die Dinge hineinsteigern, die wir selbst nicht in der Hand haben.

Haustex: Das ist leichter gesagt als getan, wenn man um die Existenz bangt…

Kamps: Richtig, aber die Dinge einmal zu Papier zu bringen hilft bei der Frage: Was kann ich in der aktuellen Situation unternehmen? Auf der rechten Seite des Blattes finden sich dann vielleicht genau die Dinge, die man längst schon einmal angehen wollte. Selbst, wenn es nur ein erster Schritt ist: Man kommt wieder in die Handlung, und das bringt bereits ein Stück Zukunftsmut.

Haustex: Was spiegeln Ihnen die Händler, wie sie mit der aktuellen Situation umgehen?

Kamps: Mich hat überrascht, dass es Händler gibt, die sehr erfolgreich sind und sich die Frage stellen, ob sie noch weitermachen sollen. Die vielleicht ein gutes Polster im Rücken haben und sich deshalb überlegen, eher aufzugeben. Ich glaube zwar, dass diejenigen, die jetzt gut aufgestellt sind, dies auch in Zukunft sein werden, weil sie aktiv dranbleiben. Aber bei einigen sind der Lust- und der Frustpegel gerade ziemlich ausgeglichen und sie fragen sich: Will ich überhaupt noch, muss ich überhaupt noch?

Haustex: Wie kreativ erleben sie die Händler im Lockdown?

Kamps: Viele Händler nutzen zum Beispiel die Telefonberatung jetzt sehr viel intensiver, weil sie die schon im ersten Lockdown als gutes Instrument erkannt haben. Damit gehen sie jetzt deutlich stärker raus nach dem Motto: Wir sind weiter für Sie da, rufen Sie uns an! Viele machen Click & Collect, einige haben sogar kleine Zelte vor der Türe aufgebaut, damit die Kunden beim Abholen der Ware nicht nass werden. Wieder andere lassen Einzelkunden in einer Coaching-Situation auch ins Geschäft hinein. Oder sie nutzen das Hygiene-Thema und die Reinigung, um die Kunden zu bedienen.

Haustex: Worauf sollte man achten, wenn die Läden wieder öffnen dürfen?

Kamps: Die Einzelberatung nach dem Re-Start muss anders geführt werden. Der Kunde muss das sichere Gefühl haben, dass ein ausreichendes Hygienekonzept vorhanden ist, dass nach der Beratung abgewischt und gereinigt wird, dass zum Beispiel Tücher zum Schutz der Kopfkissen auch sichtbar weggeräumt und anschließend gewaschen werden. Der Verkäufer muss zeigen, dass er sich die Hände desinfiziert, und so weiter. Solche Signale werden nach dem Re-Start wichtig sein. Denn die Angst, selbst zu erkranken, steht gerade bei vielen älteren Menschen nach wie vor ganz weit oben.

Haustex: Haben Sie einen Tipp für die Zeit bis zum Re-Start?

Kamps: Gute Händler haben natürlich ihre Hausaufgaben in der Zwischenzeit erledigt und zum Beispiel ihre Werbeaktionen längst vorbereitet, um mit dem Re-Start auch ein Feuerwerk abschießen zu können. Die nächsten drei Werbe-Impulse zur Frequenzsicherung sollte man unbedingt in der Tasche haben. Sollte zum Re-Start ein großer Run einsetzen, weil der Nachholbedarf der Kunden hoch ist, muss man nicht viel tun. Aber wenn der ausbleibt, muss man vorbereitet sein und nicht erst lang überlegen müssen.

Haustex: Gibt es neben Produkt und Preis weitere Themen, die hier wichtig sind?

Kamps: Der Corona-Schlaf ist sicher ein Thema, denn viele Menschen schlafen aktuell aufgrund der Pandemie auch auf guten Produkten schlechter. Mit dem gesunden Schlaf kann man diese Kunden sehr gut abholen, aber natürlich auch mit dem Rücken-Thema. Viele Menschen haben im Lockdown erkannt, dass sie hier etwas verbessern müssen – und auch können. Denn viele Kunden haben jetzt das Geld dafür. Und nachdem sie in den vergangenen Monaten schon ihre Wohnung oder das Haus auf Vordermann gebracht haben, ist nun vielleicht das Schlafzimmer dran. Diesen Menschen muss man das Gefühl geben: Wir sind für Euch da und wir haben auch die richtige Beratung.

Haustex: Rechnen Sie mit einem vergleichbaren Boom wie nach dem ersten Lockdown?

Kamps: Zumindest bleiben die beiden Hauptgegner des Fachhandels auf einem niedrigen Level: Das Thema Urlaub ist derzeit noch mit vielen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten verbunden. Und auch die Anschaffung eines neuen Autos steht für viele Menschen auf absehbare Zeit nicht zur Debatte. Ich glaube, dass der Möbel- und der Bettenfachhandel von dieser Situation wieder profitieren werden, vielleicht nicht in dem Ausmaß wie im vergangenen Jahr. Die Kopplung von Produkt und Dienstleistung wird meiner Meinung nach wichtiger. Der Preiswettbewerb wird größer, die Erwartung einer möglichst schnellen Problemlösung steigt, auch der Bedarf am Bettencheck zuhause.

Haustex: Die Kundenerwartungen an stationäre Händler haben sich mit der neuen Normalität des Onlineshoppings verändert. Was kann der Fachhändler hier tun?

Kamps: Der Fachhändler muss mehr Kontaktimpulse setzen, aber mit unterschiedlichen Themen. Es muss eine häufigere Ansprache der Kunden geben, ohne diese zu nerven – mal preisorientiert, mal themenorientiert, mal mit einem Geschenk oder einem Schnupperangebot. Da wird es wichtiger werden, sowohl von den Herstellern Vorlagen zu erhalten, als auch diese Kundenansprache mit einer persönlichen, eigenen Note zu individualisieren.

Haustex: Nicht wenige Hersteller haben mittlerweile eigene Shops und liefern direkt an den Endkunden, während die Geschäfte geschlossen sind…

Kamps: Das wird in den kommenden Jahren noch verstärkt zum Thema: Wie weit geht die Industrie auf der letzten Meile mit, und wie weit wird der Handel hier mitgenommen? Deshalb sage ich: Produkt ist gut, das Produkt gekoppelt mit einer individuellen Dienstleistung, die nur der Händler erbringt, ist besser. Der Händler hat dann mit seiner eigenen Markenbildung einen kleinen Vorteil, weil er besser mit dem Kunden arbeitet.

Haustex: Dafür muss der Händler aber auch gefunden werden.

Kamps: Die Mehrfachvernetzung an unterschiedlichen Stellen wird immer wichtiger. Der Händler, der an unterschiedlichen Stellen im Netz gefunden wird, bekommt aus Sicht des Kunden automatisch einen ganz anderen Stellenwert und führt ihn automatisch zu seinen eigenen Dienstleistungen und Angeboten.

Haustex: Wie kann sich ein Fachhändler hier richtig positionieren?

Kamps: Er muss sich darauf einstellen, seine Alleinstellung zu finden beziehungsweise klarer und selbstbewusster herauszustellen. Nehmen Sie als Beispiel etwa Michael Gouram von Betten Sauer in Köln. Er hat seine eigene Federnsortierung und sein eigenes Zudeckenprogramm mit der Spezialität der Bergischen Daune. Das hat ein Profil, das hat ein Gesicht und das hat Regionalität. Ich denke, dass jeder Händler gut beraten ist, sich solcher Stärken zu besinnen, sie deutlicher nach außen zu transportieren und auch als Person mit seiner Kompetenz ganz klar sichtbar zu werden.
Kamps: „Händler müssen ihre Stärken besser sichtbar machen“
Foto/Grafik: Markus Kamps
Markus Kamps berät als Schlafcoach und Präventologe rund um den gesunden Schlaf und schult Fachhändler zu den wichtigsten Verkaufsthemen.

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